PM 01-2019

Neujahrsinterview mit Mark A. Kühnelt – Rückblick und Zukunftsvorhaben nach ein Jahr im Amt

Erfurt, 07. Januar 2019 /

 

Herr Kühnelt, Sie sind nun schon über ein Jahr als Präsident des DEHOGA Thüringen im Amt. Wie sieht Ihr erster Rückblick aus?
Auf den Punkt gebracht geht es unserer Branche, auch in Thüringen, insgesamt gut. Zum sehr gut fehlt aber noch einiges. Die Entwicklung unseres Verbandes darf ich mit Recht als positiv bezeichnen und das ist etwas auf das wir alle stolz sein dürfen. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten, so haben wir leider wieder Unternehmen im Thüringer Gastgewerbe verloren und demzufolge ist auch unsere Mitgliederzahl weiter sinkend, welches auch sinkende Beitragseinnahmen bedeutet. Ich sehe unseren Verband wie ein Unternehmen, d.h. wir alle brauchen Umsatz /Beitragseinnahmen und leben natürlich vom Gewinn und nicht von unserer Substanz.  Gemäß unseres einstigen Gründungsmottos: „Gemeinsam sind wir stark“ brauchen wir eine hohe Mitgliedszahl und nur so können wir uns politisch einbringen, Forderungen stellen, Dienstleistungen für unsere Mitglieder erbringen und selbstredend auch wirtschaftlich erfolgreich sein, um Finanzmittel für Projekte und Dienstleistungen aufzubringen. Hier werden wir nicht aufhören für die Mitgliedschaft im DEHOGA zu werben, da es einen echten Mehrwert für jedes Mitglied bringt.

Wie sieht das Thüringer Gastgewerbe aktuell mit Zahlen unterlegt aus?
Wir haben im Zeitraum von 2006 bis 2016 insgesamt 1.025 Unternehmen im Gastgewerbe in Thüringen verloren. Dies entsprach 16,9 Prozent, gemeinsam mit dem Saarland haben wir den letzten Platz in Deutschland. Der Umsatzzuwachs betrug im gleichen Zeitraum 25,7 Prozent, was nach dem Saarland der vorletzte Platz ist.

Ebenso verzeichnen wir weiteres Kneipensterben in Thüringen und nach aktueller Umsatzsteuerstatistik einen letzten Platz mit einem Durchschnittsumsatz von rund 218.000 € pro Betrieb, das ist nicht zufriedenstellend. Allerdings ist die Entwicklung der Umsätze in unserer Branche sehr unterschiedlich und sehr weit gefächert, so gibt es ganz viele kleine Betriebe mit wenig Umsatz und einige sehr große mit viel Umsatz.

In den Städten und den touristischen Zentren ist die Entwicklung, wenn auch mit Luft nach oben, deutlich besser als in den anderen Regionen. Die Betriebe des Gastgewerbes im Freistaat sind insgesamt von kleinen Familienbetrieben dominiert und diese benötigen dringend eine positive Ertragsentwicklung um zukunftsfähig zu sein. Es liegt nicht in meiner Natur zu jammern, denn das bringt uns weder in der Öffentlichkeit noch bei der Politik Punkte, aber wir müssen mit diesen Realitäten umgehen.

Mit Blick auf den Tourismus – wie schätzen Sie hier die Entwicklung ein?
Grundsätzlich gibt es noch sehr viel zu tun, insbesondere nach der nun vorliegenden Landestourismusstrategie. Wir haben in vielen Bereichen im Ehren- und Hauptamt auch in den Arbeitsgruppen mitgewirkt und sind auch aktiv in den Arbeitskreisen und Werkstattgesprächen dabei und schärfen den Blick auf die Belange unserer Branche.

Ich bin, wie auch Minister Tiefensee, davon überzeugt, dass gerade das Thema der Qualität die größte Herausforderung ist, aber eben nicht nur in der Gastronomie, wie immer wieder Beispiele in der Öffentlichkeit dargestellt werden. Hier sind alle touristischen Dienstleister gefordert, insbesondere beim Thema Zusammenarbeit, damit alle gemeinsam die Dienstleistungskette für unsere Gäste optimieren. Beim Thema Qualität müssen wir dringend das Thema ServiceQ praxisorientierter weiterentwickeln oder, falls dies nicht gelingt, aussteigen und ein neues System aufsetzen. Wenn der Deutschlandtourismus seit Jahren boomt, wir in Thüringen zwar auch Zuwächse bei Gästeankünften und Übernachtungen vermelden können, die jedoch unter dem Bundesdurchschnitt liegen, dann kann das uns nicht zufriedenstellen. Alle Akteure in der Tourismusvermarktung und in der Dienstleistung müssen sich die Frage stellen, ob sie alles richtig gemacht haben, und da dies offensichtlich nicht der Fall ist, muss daraus abgeleitet werden, was zu tun ist.

Lassen Sie uns über die DEHOGA Thüringen Projekte reden...
Wir haben mit unseren im Jahr 2016 begonnenen Projekten Grundsteine gelegt, in Sachen Weiterbildung, Gewinnung und Betreuung von Auszubildenden, unser Konzept der Landesberufsschule für das Gastgewerbe begonnen und sind bislang ein gutes Stück vorangekommen, den beschrittenen Weg wollen wir fortsetzen. 

Unser Projekt Weiter Bilden, welches seit zwei Jahren läuft, wird in diesem Jahr einen Teilnehmerrekord haben. Wir werden 830 Seminarteilnehmer und über 80 Seminare erreichen. Damit bieten wir, aufgrund unseres mit der Gewerkschaft NGG geschlossenen Sozialpartnertarifvertrages Seminare zu aktuellen Themen, die wir selbst bestimmen können, für unsere Mitarbeiter an. Ich kann nur alle Kollegen dazu auffordern, ihre Mitarbeiter zu den Seminaren anzumelden und Themen einzubringen, die Umsetzung erfahren sollen.

Der größten Herausforderung unserer Branche, dem Mitarbeitermangel bzw. dem Azubimangel stellen wir uns als Verband ganz offensiv und gehen dazu auch neue Wege. So verfügen wir mit unserem in DEHOGA Thüringen KOMPETENZZENTRUM über ein Netzwerk, wo wir umfassende Dienstleistungen, gerade beim Thema Ausbildungskoordination anbieten und realisieren. Unsere Mitarbeiter in diesem Bereich sind Ansprechpartner beim Thema Ausbildung, von Akquisition, Betrieb, Schule und Seminaren. Die Gewinnung unserer ausländischen Auszubildenden ist eine Bestandteil zur Lösung des Problems, ein weiterer wird die Entwicklung des Kompetenzzentrums zur Landesberufsschule mit Wohnheim und abgestimmten Lehrgängen für alle Azubis der Branche im Freistaat, ein Erfolgsmodell, welches z.B. in Baden-Württemberg schon lange funktioniert.

Der Verband fordert Wertschätzung für die Branche. Wie würdigen Sie besondere Leistungen?
Bereits zweimal haben wir gemeinsam mit dem Freistaat Thüringen und Sponsor-Partnern, das Projekt „Gastgeber des Jahres“ erfolgreich realisiert, welches stellvertretend für die ganze Branche einzelne besondere Leistungen würdigt. Am 3. Januar fand die Ehrung zum Thüringer Hotelier, Thüringer Gastronom und Thüringer Innovation im Erfurter Kaisersaal statt

Nach wie vor wollen wir mehr gesellschaftliche Anerkennung für unsere Branche als Dienstleister und Hauptleistungsträger im Tourismus zu erhalten. Gastfreundschaft und gute Küche ist ein Ausdruck von Lebensqualität, es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass die Erbringer dieser Leistungen, eben wir, auch entsprechend gewürdigt und wertgeschätzt werden, sei es gesellschaftlich aber auch in einem entsprechenden Entgelt für unsere Arbeit. Ich persönlich finde es unwürdig, wenn Gastronomen sich Gästen gegenüber für Ihre Preise rechtfertigen müssen, dies findet in keiner anderen Handwerksbranche statt.

Wie steht es um das leidige Thema Arbeitszeitgesetz?
Natürlich ärgert mich, wie uns unser Sozialpartner NGG in der Öffentlichkeit mit Tarifflucht, schlechter Bezahlung und ausufernden Arbeitszeiten diskreditierte, stattdessen sollte er gemeinsam mit uns für mehr Wertschätzung für die Arbeit auch Ihrer Mitglieder werben. Wir wollen uns als DEHOGA Thüringen nicht vor Unternehmer stellen, die massiv Vorschriften missachten und sich nicht an gesetzliche Regelungen halten, aber es kann auch nicht sein, falsche Informationen oder Einzelfälle für Anschuldigungen als Generalverdacht zu nutzen. Insbesondere die Forderung nach familienfreundlichen Arbeitszeiten und die weitere Reduzierung von Arbeitszeit mit der Aussage, die Möglichkeiten der Flexibilisierung müssten nicht ausgedehnt, sondern weiter eingeschränkt werden, sind nicht im Ansatz sachgerecht. Wir sind gerne Dienstleister und arbeiten immer dann, wenn unsere Gäste diese Leistungen haben wollen, am Abend, am Wochenende und an den Feiertagen und dies GEMEINSAM mit unseren Mitarbeitern. Dazu müssen wir einen Preis erzielen, der es uns ermöglicht unsere Kosten zu decken und natürlich unsere Mitarbeiter entsprechend zu bezahlen bzw. den Unternehmern und ihre Familien ein angemessenes Einkommen zu sichern. Unsere politische Forderung ist und bleibt, das Arbeitszeitgesetz muss der Lebenswirklichkeit angepasst werden und wir bekommen die Flexibilität, die wir als Dienstleister brauchen und es ist ja nie die Rede von einer Erhöhung der Arbeitszeiten wie die NGG das verlauten lässt.

Abschließend – ein Jahr Präsidentschaft  – wem gilt Ihr Dank?
Ich möchte mich an dieser Stelle insbesondere bei all unseren Mitarbeitern im DEHOGA Thüringen und im Kompetenzzentrum herzlich bedanken, welche weit über das normale Maß an Zeit und Engagement hinaus arbeiten, da macht es mich schon sehr stolz diesem Verband als Präsident voranzustehen.